Allergien und Klimawandel

Allergien gehören weltweit zu den gesundheitlichen Herausforderungen. Durch den Klimawandel, der durch die Zunahme der atmosphärischen CO2-Konzentration und den damit verbundenen Anstieg der Erdoberflächentemperatur verursacht wird, nehmen insbesondere die Pollen-assoziierten allergischen Erkrankungen zu. In Deutschland leiden etwa 30 Millionen Menschen an Allergien, die vorwiegend im Kindes- und Jugendalter weitverbreitet sind und häufig chronisch verlaufen, was zur erheblichen Einschränkung der Lebensqualität der Betroffenen und zur sozioökonomischen Belastung des Gesundheitssystem führt.

Der Begriff Allergie (griechisch allos = anders, ergon = Tätigkeit) wurde bereits 1906 von dem Wiener Kinderarzt Clemens von Pirquet geprägt und sollte eine „andersartige Reaktion“ beschreiben. Heute wird unter Allergie eine spezifische, immunologisch vermittelte krankmachende Überempfindlichkeit verstanden (1). Zu den wichtigsten allergischen Erkrankungen gehören die allergische Rhinokonjunktivitis (Heuschnupfen), Nesselsucht (Urtikaria), Asthma bronchiale, exogen allergische Alveolitis, Kontaktdermatitis, atopisches Ekzem (Neurodermitis), Nahrungsmittel- und Arzneimittelallergien und der anaphylaktische Schock (1).

Nach dem „European Health Interview Survey“ lag die 12-Monat-Prävalenz von Allergien (ohne Asthma) bei den 15- bis 79-Jährigen in Deutschland mit 29,0 % deutlich höher als im EU-Durchschnitt (6,9 %). Die Asthmaprävalenz dagegen betrug in Deutschland 6,1 % und entsprach dem EU-Durchschnitt (5,9 %) (1).

Vorwiegend kommen Pollen-assoziierte allergische Erkrankungen (Rhinokonjunktivitis, Asthma) vor, die meist von Windbestäubern wie Hasel, Birke und Gräser ausgelöst werden.

Durch den Klimawandel wird die Menge und der Allergengehalt von Pollen sowie Beginn und Dauer der Pollensaison deutlich beeinflusst (2). Auf der Nordhalbkugel hat sich die Wachstumsperiode und damit Austrieb und Blüte bei allergenen Pflanzen in den letzten Jahrzehnten um bis zu 8 Tage verlängert, in den mittleren und nördlichen Breiten sogar um zwei Wochen. Das bedeutet, dass auch die Pollensaison früher beginnt (3). Eine Erhöhung der Frühlingstemperatur um 1° C hat im Mittel eine Vorverlegung von Austrieb und Blüte von 2,5-6 Tage zur Folge (4).

Der frühere Beginn der Pollensaison und die höheren Temperaturen haben dazu geführt, dass die Pollenkonzentration ansteigt. So wurde bei einem mittleren Temperaturanstieg um 1,5° C eine Zunahme der Pollenzahl um das 1,2-fache bei der Birke und das 6,5-fache bei der Esche festgestellt (5). Ein weiterer Grund für eine verstärkte Pollenproduktion ist die höhere CO2-Konzentration, die die Photosynthese verstärkt und zu einem CO2-Düngeeffekt führt. In Laborversuchen wurde bei einer Verdoppelung der CO2-Konzentration eine um 61 % höhere Pollenzahl registriert (5). Allerdings reagieren Pflanzen auf höhere CO2-Konzentrationen verschieden. Die Mehrheit der mittel- und nordeuropäischen Pflanzen verstärken ihre Photosynthese bei einer Zunahme der atmosphärischen CO2-Konzentration. Dagegen vermindern Pflanzen in Trockengebieten ihre Aufnahme von CO2, um damit den Wasserverlust zu reduzieren.

Der Klimawandel birgt auch die Gefahr, dass nicht heimische Pflanzen (Neophyten) eingeschleppt werden wie das Beifußblättrige Traubenkraut (Ambrosia artemisiifolia), das durch Pollenkontakt Heuschnupfen, Asthma und Hautallergien hervorrufen kann. Eine einzelne männliche Pflanze produziert etwa eine Milliarde Pollen zwischen Anfang August und Ende September. Schon eine geringe Anzahl von etwa sechs Pollen pro Kubikmeter Luft kann schwere allergische Reaktionen hervorrufen.

Die Beifuß-Ambrosia ist ursprünglich in den USA beheimatet. Nach Mitteleuropa ist sie über Frankreich und Südosteuropa eingewandert. Gegenwärtig kommt sie in Deutschland am Oberrhein, in Südhessen, Südostbayern und im östlichen Brandenburg vor, und ist auch in Ungarn, in der Ukraine, Slowakei, auf dem Balkan, in Frankreich, Österreich und Polen zum Teil stark verbreitet (6).

Da durch den Klimawandel auch extreme Unwetter entstehen, die zu Feuchteschäden mit Schimmelpilzbildung in Gebäuden führen, besteht die Gefahr einer Allergie durch Schimmelpilze, die sowohl ein allergisches Asthma als auch eine exogen allergische Alveolitis auslösen können (7-9).

Bei Fortschreiten des Klimawandels werden die allergischen Erkrankungen, die sich zu einer Volkskrankheit ausgeweitet haben, noch weiter zunehmen, sodass Strategien entwickelt werden müssen, um Prävention, Diagnostik und Therapie entscheidend zu verbessern (1).

Prof. Dr. med. Hans Schweisfurth
Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats und des Arbeitskreises Medizin der DGUHT e.V.
Pulmologisches Forschungsinstitut
– Institute for Pulmonary Research (IPR) –

D-03044 Cottbus
Walther-Rathenau-Straße 11
E-Mail: pulfin@t-online.de

Literatur

1. Klimek L, Vogelberg C, Werfel T, (Herausgeber). Weißbuch Allergie in Deutschland, 4. Auflage, Springer Medizin, 2018.

2. Höflich C. Pollen-assoziierte allergische Erkrankungen in Zeiten des Klimawandels – Neue Daten zur Entwicklung in Deutschland. UMID 1/2018, 5-14.

3. Menzel A, Behrendt H. Zunahme des Pollenflugs und die Gefahr von Allergien. In: Lozán et al. Warnsignal Klima: Gesundheitsrisiken. Wissenschaftliche Auswertungen, Hamburg. 2008, 132-135.

4. Parmesan C. Ecological and evolutionary responses to recent climate change. Annual Review of Ecology, Evolution and Systematics 2006, 637-669.

5. Berendt, H. Klimawandel und Allergie. In: Gostomzyk. Globaler Klimawandel und Gesundheit, 2008, 73-82.

6. Ambrosia-Pflanzen, Ursache für die Zunahme von Allergien?
https://www.gesundheitsamt-bw.de/SiteCollectionDocuments/03_Fachinformationen/Fachpublikationen+Info-Materialien/ambrosia_pflanzen.pdf.

7. Schweisfurth H. AWMF-Leitlinie “Medizinisch klinische Diagnostik bei Schimmelpilzexposition in Innenräumen“. Atemwegs- und Lungenkrankheiten 2018, 44; 535-551.

8. Schmidt M. Asthma durch Schimmelpilze in Innenräumen. Atemwegs- und Lungenkrankheiten 2018, 44; 567-570.

9. Schweisfurth H. Exogen-allergische Alveolitis durch Schimmelpilze. Atemwegs- und Lungenkrankheiten 2018, 44; 571-584.