In der Pressemitteilung der DGP (Deutsche Gesellschaft für Pneumologie) am 23.3.2024 bei der Jahrestagung in Mannheim stellten die Lungenfachärzte die dringende Forderung an die Politik und Behörden in Deutschland, die Zusatzstoffe (u.a. Aromen) für die E-Zigaretten zu verbieten:
Grundlage dafür sind aktuelle Erkenntnisse des Instituts für Therapie- und Gesundheitsforschung in Kiel, kurz IFT-Nord. Neueste Daten zeigen, dass Aromen den Raucheinstieg erleichtern, das Suchtpotenzial erhöhen oder durch tieferes Inhalieren die Aufnahme toxischer Substanzen deutlich steigern. „Diese Aromen haben ein erhebliches Schadenspotenzial und müssen schnellstmöglich vom Markt genommen werden", sagt Professor Wolfram Windisch, Präsident der DGP. Die Fachgesellschaft stellt heute ein Positionspapier vor, das vor allem mit Blick auf Jugendliche von der Politik eine strengere Regulierung des Verkaufs von E-Zigaretten fordert.
Im Kindes- und Jugendalter ist die E-Zigarette mittlerweile das am häufigsten konsumierte nikotinhaltige Produkt, noch vor der Tabakzigarette und der Wasserpfeife. „Wir wissen, dass E-Zigaretten-Konsumenten ein dreimal höheres Risiko haben, später Tabakzigaretten zu rauchen. Wir ziehen uns also mit der E-Zigarette bei Jugendlichen und jungen Menschen eine neue Generation Nikotin-Abhängiger heran", sagt Dr. Alexander Rupp (Foto Mitte) von der DGP-Arbeitsgruppe Tabakprävention und -entwöhnung. Er ist federführender Autor des Positionspapiers und meint: „Neben einem Aromen-Verbot und der Verkaufsregulierung muss auch das Abgabe- und Konsumverbot für unter 18-Jährige im Sinne des Jugendschutzes besser kontrolliert werden."
Was die Datenanalyse auch zeigt: Experimentelle Untersuchungen beim E-Zigarettenkonsum weisen auf Entzündungsreaktionen in der Lunge und im Herz-Kreislauf-System hin. „Gleichzeitig wurden bisher nur für sehr wenige der zahlreichen unter 16.000 Geschmacksbezeichnungen verwendeten Aromastoffe toxikologische Untersuchungen durchgeführt. Das heißt, wir haben eine enorme Blackbox von Substanzen in den E-Zigaretten, von denen wir noch gar nicht wissen, wie sie auf die Atemwege wirken und wie sie auch untereinander agieren", gibt Leitlinienautor Alexander Rupp zu bedenken. Erschwerend komme hinzu, dass unterstützt durch die öffentliche Werbung die Aromen als attraktiv und unbedenklich wahrgenommen werden – insbesondere von jüngeren Menschen.
Im Jahr 1994 wurden erstmals etwa 4.000 interne und geheime Dokumente der us-amerikanischen Tabakindustrie Brown und Williamson (British American Tabacoo) in Kalifornien bekannt. Ein "whistle-blower" (Jeffrey Wigand) machte die skandalösen Sachverhalte und die krank machenden Herstellungsverfahren der Tabakindustrie in einem Interview von CBS 1996 öffentlich. Es wurden damals 6 Millionen Dokumente der sieben größten US-Zigarettenhersteller mit insgesamt ca. 35 Millionen Seiten bekannt. Damit wurde klar, dass diese Firmen seit knapp hundert Jahren stetig an Zusätzen unterschiedlichster Art zum Zigarettentabak arbeiteten. Gleichgültig ob die Stoffe gesundheitsschädlich waren oder nicht. Die US-amerikanische Behörde FDA (Food and Drug Association) eröffnete damals ein Verfahren gegen die Zigarettenfirmen wegen des Verdachts des "Drogenhandels".
Wir sehen zusammenfassend, dass sich das Verhalten der Zigaretten-Industrie in den Jahren nicht geändert hat. Noch immer werden stetig neue Produkte entwickelt, welche die Verbraucher zum Konsum verführen, schneller abhängiger machen und deren Gesundheit schädigen. Durch die "angenehm" empfundenen Gerüche meinen die meist jungen Menschen, dass diese Produkte natürlich und unschädlich seien. Ein gravierender Irrtum.
Bereits 2020 wurde ein umfassender Review zu diesem Thema von Prof. H. Schweisfurth vom Pulmologischen Forschungsinstitut (IPR) in Cottbus vorgelegt:
Viele Jugendliche mit Asthma haben eine positive Einschätzung von E-Zigaretten. Die Prävalenz der E-Zigaretten-Anwendung ist größer bei jugendlichen Asthmatikern als bei Nicht-Asthmatikern. Da in den E-Zigaretten eine thermische Zersetzung von Propylenglykol und Glycerin stattfindet, die zur Bildung von Nitrosamin, Carbonylverbindungen einschließlich Formaldehyd, Acetaldehyd und Acrolein führt, sind bei wiederholtem Gebrauch Gesundheitsschäden zu befürchten. Die potenziell schädlichen Carbonyle wurden in Aerosolen nachgewiesen, die bei hohen Temperaturen (> 200 °C) entstehen. Die Acroleinbildung kann um das 10-fache zunehmen, wenn die Spannung eines Geräts erhöht wird. Häufige Aromastoffe, die in E-Zigaretten-Aerosolen vorkommen, ähneln chemisch bekannten Atemwegsreizstoffen und Sensibilisierungssubstanzen, die Asthma auslösen können. Da bisher keine Daten über die möglichen langfristigen Auswirkungen der E-Zigaretten auf die Ursache oder Verschlimmerung von Asthma vorliegen, sind umfangreiche klinische Studien notwendig.
Häufig wird angenommen, dass durch den Gebrauch von E-Zigaretten weniger gesundheitliche Risiken entstehen, da das Aerosol der E-Zigarette geringere Schadstoffe enthält als der Rauch von konventionellen Tabakzigaretten . Nach jetzigem Kenntnisstand können aber auch durch Aerosole von E-Zigaretten gesundheitsschädigende Effekte auftreten.
E-Zigaretten werden häufig zur Tabakentwöhnung genutzt und damit vor allem von Rauchern verwendet. Bislang liegen jedoch keine Untersuchungen vor über die gesundheitlichen Folgen durch die langfristige Anwendung von E-Zigaretten. Einige Studien weisen aber darauf hin, dass vorwiegend bei Jugendlichen durch den Gebrauch von E-Zigaretten ein erhöhtes Risiko des Einstiegs und Wiedereinstiegs in den Konsum traditioneller brennbarer Tabakprodukte besteht.
Als Reaktion auf den geringeren Zigarettenkonsum fördert die Tabakindustrie neue Tabakerzeugnisse wie aromatisierte E-Zigaretten, die oft als sicherere Alternative zu herkömmlichen Zigaretten angeboten werden.
Das Inhalieren von E-Zigaretten-Aerosolen vermittelt das Gefühl des Rauchens und die gewünschte Nikotinwirkung, ohne Tabak zu verbrennen. Seit der Einführung in den USA im Jahr 2007 hat der Konsum von E-Zigaretten vorwiegend bei Teenagern und jungen Erwachsenen zugenommen, die diese Punkte oft für harmlos halten. Insbesondere von den verwendeten Aromastoffen gehen vielfältige Gesundheitsgefahren aus. Auch die European Respiratory Society (ERS) richtet sich in einer Stellungnahme gegen die Verharmlosung der Gefahren von E-Zigaretten.
Im Review werden auch Details bzgl der E-Flüssigkeiten (Liquids) wie Propylenglykol und Glycerin hingewiesen und eine Tabelle mit vielen verbotenen Inhaltsstoffen von E-Zigaretten gemäß Anlage 2 zu §28 der TabakerzV (BGBlt 2017, 1203-1204) abgedruckt. Detaillierter wird Nikotin und seine Wirkweise beschrieben wie auch diverse Aromastoffe (Minze, Nelken, Kirsche, Mandel- und Zimtgeschmack u.a.).
Dargestellt werden auch Details der Pathogenese des Asthma bronchiale bei der die Nervenfasern in der bronchialen Schleimhaut, die C-Fasern und die TRP-Ionenkanäle eine wichtige Rolle spielen. Letztere werden durch diverse Aromen aktiviert und stimuliert.
Atemwege sind hochempfindlich gegenüber Schäden durch eingeatmete Krankheitserreger, reaktive Chemikalien und Fremdkörper. Reflexe, wie Niesen und Husten, schützen die Atemwege vor den potenziell schädlichen Substanzen. Periphere chemosensorische und mechanosensorische Nervenenden sind in der Schleimhaut dicht angeordnet, um die Atemrückkopplung zu kontrollieren. Pulmonale unmyelinierte afferente Fasern (C-Fasern) erkennen Chemikalien, die in die Atemwege eindringen. Studien über die Mechanismen zur pulmonalen C-Faser-Aktivierung haben zur Identifizierung von TRP-Ionenkanälen geführt, die für Kationen durchlässig sind und als Sensoren fungieren.
Von den bisher bekannten 28 sensorischen neuronalen TRP-Kanälen kommt dem TRPV 1-Kanal, der auch als Vanilloid-Rezeptor 1 (VR1) bezeichnet wird, eine besondere Bedeutung zu. TRPV1 reguliert als Kationenkanal das zelluläre transmembrane Potenzial durch Erhöhung der intrazellulären Ca²⁺- und Na⁺-Konzentrationen und depolarisiert die sensorische C-Fasern. TRPV1 besitzt eine intrazelluläre Bindungsstelle für Pfeffer (Piperin), Paprika bzw. Chili (Capsaicin). TRPV1 wird durch Capsaicin-, Hitze-, pH- und Vanilloidverbindungen aktiviert und ist nachweislich an neurogenen Entzündungen und verschiedenen Symptomen im Zusammenhang mit Atemwegserkrankungen beteiligt.
Aufgrund dieser aktuellen und auch schon länger bekannten Sachverhalte fordern auch wir die Verantwortlichen in den Behörden und Politik auf, tätig zu werden. Die Situation hat sich entscheidend geändert. Bei der Einführung der E-Zigaretten waren weniger Nikotin und Aromen in den Liquids. Das hat sich geändert, sodass mit den heutigen Produkten sehr viel schneller eine Schädigung der bronchialen Strukturen und Abhängigkeit vom Nikotin bewirkt wird. Moderne E-Zigaretten eignen sich keinesfalls mehr für das Abgewöhnen des Zigarettenrauchens - eher zum schnellen Einstieg.
Deswegen sieht die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin jetzt dringenden Handlungsbedarf auch im Umgang mit Aromen in E-Zigaretten. Die Ärztezeitung berichtet: „Die Politik muss sich noch stärker damit auseinandersetzen, dass Rauchen und Dampfen hochgradig gesundheitsschädlich ist – eben auch der Gebrauch von E-Zigaretten, was durch die verlockenden Aromen verharmlost wird. Wir müssen alles dafür tun, um die Verbreitung und die Bewerbung zu reduzieren. Und wir müssen ausreichend aufklären, damit Betroffene auch wieder vom Rauchen wegkommen", fordert DGP-Präsident Wolfram Windisch, Chefarzt der Lungenklinik an den Kliniken der Stadt Köln. „In puncto Tabakentwöhnung gehören wir in Deutschland zu den Schlusslichtern in Europa. Das muss sich dringend ändern." 70 Prozent aller Rauchenden haben den Wunsch aufzuhören. Die meisten schaffen es nicht, weil passende Unterstützungsangebote zur Rauchentwöhnung fehlen – aus Kostengründen.
Autoren:
Dr. Michael P. Jaumann (DGUHT Mitglied) in Kooperation mit Prof. Dr. med. Hans Schweisfurth (Leiter des Arbeitskreises Medizin, wissenschaftlicher Beirat).