In den letzten Jahrhunderten war das Klima in Europa weitgehend stabil. Aber seit Beginn der Industrialisierung nimmt die globale Lufttemperatur zu. So hat sich in Deutschland zwischen 1881 und 2009 die durchschnittliche Lufttemperatur um 1,1°C erhöht.
Diese globale Erwärmung, die direkt und indirekt unsere Gesundheit beeinflusst
Direkte Auswirkung | Indirekte Auswirkung |
Vermehrte Hitzewellen – Trockenheit, Dürre – Waldbrände |
Veränderung der Allergenexposition – Verlängerte Pollenflugsaison – Verändertes Allergenspektrum |
Extreme Wetterereignisse – Häufige Unwetter – Stürme, Überschwemmungen – Sandstürme |
Zunahme der Luftschadstoffe – Ozon – Feinstaub (PM2,5, PM10) – Stickstoffoxide |
Erhöhte UV-Strahlung | Erhöhte Infektionsrisiken durch Ausbreitung von Vektoren und Reservoirorganismen |
Probleme der Trinkwasser- und Lebensmittelhygiene | |
Anstieg des Meeresspiegels | |
Migrationen |
Tab. 1: Direkte und indirekte gesundheitliche Auswirkungen des Klimawandels in Europa. (PM: Particulate Matter)
wird hauptsächlich durch Verbrennen fossiler Energieträger (Kohle, Erdöl, Erdgas), weltumfassende Entwaldung, Land- und Viehwirtschaft und unkontrollierte Müllentsorgung verursacht. Dadurch werden die sogenannten Treibhausgase wie Kohlendioxid (CO2), Methan (CH4), Stickstoffoxide (NOx) und Luftschadstoffe wie Feinstaub mit einem aerodynamischen Durchmesser von weniger als 10 µm (PM10), Schwefeldioxid (SO2), Stickstoffdioxid (NO2) und Kohlenmonoxid (CO) in der Atmosphäre angereichert.
Dieser Treibhauseffekt wurde bereits im 19. Jahrhundert beschrieben. Als verantwortliche Gase wurden damals schon Wasserdampf und CO2 vermutet und die Hypothese aufgestellt, dass die anthropogene CO2-Anreicherung in der Atmosphäre die Erdtemperatur erhöhen könne. Die seit 1958 durchgeführten kontinuierlichen Messungen von CO2 auf dem Vulkan Mauna Loa auf Hawaii bestätigen, dass die CO2-Konzentration der Atmosphäre von etwa 300 parts per million (ppm) auf nun über 400 ppm angestiegen ist.
Es liegen umfangreiche Studien über die Sterblichkeit bei hohen Umgebungstemperaturen vor. In Europa sind vorwiegend über 65-jährige mit Atemwegs-, Herzkreislauferkrankungen und psychiatrischen Erkrankungen betroffen. Der Anstieg von 1°C oberhalb eines Schwellenwerts von 29,4°C (mediterrane Städte) und 23,3°C (nordeuropäische Städte) war mit einer Zunahme der täglichen Sterberate von etwa 7 % assoziiert.
Klimatische Faktoren beeinflussen die Bildung von Feinstaub (PM2,5-10 und PM10). Obwohl lokale Maßnahmen zur Verminderung von Feinstaub in Ballungszentren durchgeführt werden, kann insbesondere während der Hitzeperioden der durch die vermehrt auftretenden Waldbrände entstandene Feinstaub über größere Entfernungen transportiert werden. Feinstaubexpositionen verursachen eine Zunahme von chronischen obstruktiven Lungenerkrankungen, Lungenkrebs, Herzinfarkt, Schlaganfall und hohem Blutdruck. Bei Kindern mit Asthma führt eine Belastung von Feinstaub zur Verschlechterung der Lungenfunktion und bei Säuglingen zur erhöhten Sterblichkeit. Da durch die globale Erwärmung die Wüstenbildung weiter zunimmt, sind auch mehr Sandstürme zu befürchten. Die Mittelmeerregion ist durch Sandstürme aus der Sahara besonders betroffen. Der feinstaubige Sand kann Allergene, Metalle (Arsen, Quecksilber), Mikroorganismen (Bakterien, Viren, Pilze) und Endotoxine wie Lipopolysaccharide enthalten und über Tausende von Kilometern transportiert werden mit der Folge, dass in den betroffenen Regionen die Sterblichkeitsrate insbesondere bei Älteren ansteigt.
Das troposphärische Ozon wird durch Luftschadstoffe wie Methan, Stickoxide und flüchtige organische Verbindungen unter Sonneneinstrahlung hauptsächlich durch fotochemische Reaktion gebildet. Hohe Temperaturen (Hitzeperioden) sind oft verbunden mit trockener Witterung, die zu ansteigenden Ozonkonzentrationen führen. Durch Waldbrände, wie sie vorwiegend in südlichen Regionen Europas vorkommen, entsteht ebenfalls Ozon. Das Ozon verursacht eine Verschlechterung der Lungenfunktion. Erhöhte Ozonkonzentrationen können zur Verschlimmerung von Asthma und chronisch obstruktiver Bronchitis führen.
Stickstoffoxide sind zusammen mit flüchtigen Kohlenwasserstoffen für die sommerliche bodennahe Ozonbildung verantwortlich. Außerdem tragen sie zur Feinstaubbelastung bei. Sie entstehen durch Verbrennung von Kohle, Holz, Gas, Öl und Abfälle. In verkehrsreichen Regionen wird NO2 vorwiegend durch Dieselkraftfahrzeuge produziert. Insbesondere Asthmakranke sind durch Stickstoffoxide gefährdet, die eine akute Entzündungsreaktion der Bronchien auslösen.
Die Häufigkeit von allergischen Erkrankungen wie Asthma und Schnupfen („Heuschnupfen“) hat in den vergangenen Jahrzehnten bei Kindern und Erwachsenen hauptsächlich in Ballungsgebieten zugenommen. Zwar sind die Ursachen dafür noch nicht im Einzelnen geklärt, jedoch wird angenommen, dass Umweltfaktoren neben der genetischen Prädisposition die Entstehung von Allergien fördern.
In Deutschland hat sich durch das mildere Klima die Pollenflugsaison in den vergangenen 30 Jahren verlängert. Dadurch sind Allergiker über einen größeren Zeitraum den Pollen ausgesetzt. Frühblüher wie Erle und Haselnuss setzen in milden Wintern ihre Pollen bereits im Dezember frei. Kräuterpollen von Spätblühern sind nun bis in den Spätherbst nachweisbar.
Der globale Klimawandel begünstigt auch die Einwanderung von Pflanzen mit starkem allergenem Potenzial wie das Beifußblättrige Traubenkraut (Ambrosia artemisiifolia). Dieses Traubenkraut kann bereits Anfang Juni seine Pollen freisetzen. Am höchsten sind die Pollenkonzentrationen jedoch zur Hauptblütezeit von Mitte August bis Anfang September. Seine Pollen sind hoch allergen. Bereits eine Konzentration von 5-10 Pollen/m³ Luft kann bei Sensibilisierten eine allergische Sofortreaktion mit Schnupfen, Augenjucken und Asthma auslösen. In Kombination mit hoher Ozonkonzentration und Stickstoffdioxid wird die Allergiewirkung der Pollen noch verstärkt.
Es wird befürchtet, dass durch die globale Erwärmung sowohl die Zahl der Betroffenen als auch die Schwere der Symptome stark ansteigen wird. Nach einer Prognose soll in Europa bis 2060 die Zahl der Betroffenen, die allergisch auf Pollen des Beifußblättrigen Traubenkrautes reagieren, von derzeit 33 Millionen auf etwa 77 Millionen ansteigen, wobei die stärksten Zunahmen in Deutschland, Polen und Frankreich auftreten werden.
Durch den Klimawandel werden Zunahmen von Extremniederschlägen erwartet, die zu Überschwemmungen führen. Die daraus resultierende Feuchtigkeit in den betroffenen Gebäuden fördert das Bakterien- und Schimmelpilzwachstum. Diese Mikroorganismen können akute Atemwegsinfektionen (z. B. Pneumonien) auslösen oder bei länger wirkender Exposition ein allergisches Asthma oder eine exogen-allergische Alveolitis (Entzündung der Lungenbläschen) verursachen. Auch werden in den feuchten Wohnräumen Endotoxine, leichtflüchtige organische Verbindungen und Mykotoxine gebildet, die neben den Atemwegen auch andere Organe schädigen können.
Durch die globale Klimaerwärmung werden Infektionskrankheiten weiter zunehmen und in Regionen auftreten, die bisher nicht betroffen waren. Von besonderer Bedeutung sind hierbei vektorbedingte Infektionen, die von Insekten, Zecken, Milben oder Nagetieren übertragen werden. So beobachtet man seit Jahren die Ausbreitung der Asiatischen Tigermücke, die Dengue-, Chikungunya- und Gelbfieberviren übertragen kann. Vermutet wird auch die Übertragungsmöglichkeit des Zika-Virus. Zecken und Nagetiere, die den Zecken als Zwischenwirt dienen, gehören zwar zur einheimischen Fauna. Durch eine globale Erwärmung ist aber zu befürchten, dass die von Zecken (Borelliose, Frühsommer-Meningoenzephalitis) und von Mäusen (Hantaviren) übertragenen Infektionskrankheiten weiter zunehmen.
Weltweit müssen die Ursachen des Klimawandels intensiv bekämpft werden, um den globalen Temperaturanstieg zu minimieren, damit für die nachfolgenden Generationen die gesundheitlichen Risiken durch den Klimawandel kalkulierbar bleiben.
In der Pariser Klimaschutzkonferenz haben sich 195 Staaten darauf geeinigt, dass der Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur auf deutlich unter 2°C über dem vorindustriellen Niveau begrenzt wird, wenn möglich auf 1,5 °C.
Es ist außerordentlich bedauerlich, dass die USA als einer der größten CO2 -Emittenten von dem Pariser Übereinkommen zurückgetreten sind.
Prof. Dr. med. Hans Schweisfurth
Vorsitzender des wissenschaftlichen Beirats und des Arbeitskreises Medizin der DGUHT