Diese schwefelhaltige Fettsäure, auch Thioctsäure genannt, kommt als Coenzym und Bestandteil des Pyruvatdehydrogenase-Komplexes in den Mitochondrien fast aller Lebewesen mit Zellkern (den sogenannten Eukaryoten) vor. Es handelt sich somit um einen Naturstoff.
Als Coenzym wirkt die α-Liponsäure vornehmlich bei oxidativen Decarboxylierungen im Wasserstoff- und Acyl-Gruppen-Transfer. Eine wichtige Rolle spielt sie im Pyruvat-Dehydrogenase-Komplex der Mitochondrien, dem Verbindungsglied zwischen Glykolyse und Zitronensäurezyklus und dem α-Ketoglutarat-Dehydrogenase-Komplex im Zitronensäurezyklus.
Im Kampf gegen freie Radikale verlieren die Radikalfänger (Antioxidantien) ihre Energie und fehlen dann dem Organismus, um diesen zu beschützen. Hier zeigt die α-Liponsäure bemerkenswerte regenerative (schützende) Wirkung. Mit ihrer reduzierten Form Dihydroliponsäure bildet α-Liponsäure ein biochemisches Redoxsystem, ist ein Radikalfänger und starkes Antioxidans, das im Körper verbrauchte Antioxidantien wie Vitamin C, Vitamin E, Coenzym Q10 oder Glutathion zu regenerieren vermag.
Vielversprechend scheint der Einsatz in der Krebsforschung, da Liponsäure den Energiehaushalt von Krebszellen beeinträchtigt und damit deren Untergang anregt.
Die Studie zur Ausleitung von Radioaktivität aus unserem Körper durch Alpha-Liponsäure nach Korkina et al. 1993 brachte erstaunliche Erkenntnisse. Bei Kindern, die radioaktiven Strahlen ausgesetzt waren, zeigte sich nach der 28-tägigen Verabreichung ein Rückgang freier Radikale, d.h. es konnten Schädigungen vermieden werden. Des Weiteren besserten sich die Leber- und Nierenwerte der so behandelten Kinder, was auf die verbesserte Ausscheidung radioaktiver Stoffwechselprodukte zurückgeführt wurde. Ähnliche Studienergebnisse wurden seitdem international verzeichnet und sind in der amerikanischen National Library of Medicine nachzulesen¹.
Weiterhin konnte die Alpha-Liponsäure einen signifikanten Effekt auf die Normalisierung des Blutzuckerspiegels unter Beweis stellen. Wie Studien zeigten, werden durch diese Fettsäure die Transportmoleküle Glut-1 und Glut-4 aktiviert, die für die Einschleusung der Glucose in die Muskelzellen zuständig sind, damit diese dann als Energie verbraucht wird. So konnte die Glucoseaufnahme um mehr als 50 % gesteigert werden.
Der US-Biochemiker Passwater konnte bereits 1995 in Studien unter Beweis stellen, dass die Alpha-Liponsäure eine Verbesserung der Insulinempfindlichkeit erzeugt. Dies wurde seitdem von Forschern auf internationaler Ebene bestätigt.² , ³ ,⁴
¹ https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC8573698/
² Saeid G, Mohammad B, Ismail L. Diabetes and alpha lipoic acid. Frontiers Pharmacol. 2011;2:69
³ Sinqh U, Jialal I. Alpha-lipoic acid supplementation and diabetes. Nutr Rev 2008;66:646–57
⁴ Lee WJ, Song KH, Koh EH, Won JC, Kim HS, Park HS, et al. Alpha-lipoic acid increases insulin sensitivity by activating AMPK in skeletal muscle. Biochem Biophys Res Commun.2005; 332:885–91
Es zeigte sich, dass die orale Einnahme von Alpha-Liponsäure in Dosen von 600 mg / Tag, 1200 mg / Tag oder 1800 mg / Tag über einen Zeitraum von 4 Wochen zu einer Verbesserung der Insulinempfindlichkeit um 25% führte. ⁵
Laut der DAZ (Deutsche Apotheker Zeitung) greift dieser Mikronährstoff auch in die Pathomechanismen der Neurodegeneration und des gestörten neuronalen Energiestoffwechsels ein und zeigt eine positive Wirkung bei Demenz-Erkrankten. Bei Patienten mit milder bis moderater Alzheimer-Demenz zeigte sich, dass die zusätzliche Gabe von α-Liponsäure zu Acetylcholinesterasehemmern das Fortschreiten der Erkrankung extrem verlangsamt.⁷
Als körpereigene Substanz ist die α-Liponsäure als freiverkäufliches Nahrungsergänzungsmittel im Handel unter verschiedenen Namen erhältlich, allgemein in Kapselform. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) gibt für diese Fettsäure keine Richtlinien vor.
Handelsnamen sind u.a.: Alpha-Lipogamma (D), Alpha-Lipon STADA (D), Alpha-Vibolex (D), Biomo-Lipon (D), espa-lipon (D), Liponsäure-ratiopharm (D), Neurium (D), Pleomix-Alpha (D), Sana Alpha-Liponsäure (D), Thioctacid (D, A), Thiogamma (D), Tromlipon (D), Vitatrans (D).
Bereits seit 1966 wird α-Liponsäure in Deutschland auch als Arzneistoff zur Behandlung von Lebererkrankungen und bei peripheren Polyneuropathien eingesetzt.
Eine weitere Funktion dieser nicht verschreibungspflichtigen Fettsäure ist die besondere Fähigkeit Metalle zu binden, denn im Gegensatz zu anderen Chelatbildern wie DMSA, DMPS, EDTA oder DTPA kann die Liponsäure in alle Bereiche des zentralen und peripheren Nervensystems eindringen. Dabei beruht die Wirkung vor allem auf ihrer reduzierten Form Dihydroliponsäure, einem Dithiol, das starke antioxidative Eigenschaften besitzt und Chelatbindungen eingehen kann. Die Ausscheidung dieser Komplexe erfolgt fast ausschließlich über die Gallenwege.
Nachdem die α-Liponsäure die Fähigkeit besitzt in alle Bereiche des Nervensystems einzudringen, wird derzeit untersucht ob und inwieweit die orale Verabreichung sich auf die Entwicklung der Multiplen Sklerose (MS) auswirkt. Dass toxische Metalle wie Quecksilber und Blei Nervenfunktionen beeinflussen ist ausreichend bewiesen. Somit dürfte sich eine ‚Entgiftung‘ der Nervenzellen positiv auf deren Funktion auswirken- sofern diese noch funktionsfähig sind. In den USA geht eine klinische Forschungsarbeit in die 2.Phase, die zeigen soll, ob diese Behandlung das Fortschreiten der Erkrankung positiv beeinflusst. Der zweite Teil dieser randomisierten 3-Stufen randomisierten und plazebo-kontrollierten Studie soll Ende 2023 abgeschlossen werden. Das VA Office of Research and Development finanziert die Arbeit. https://clinicaltrials.gov/ct2/show/NCT03161028
Der Hämatologe und Metall Toxikologe Prof. AlMomen of Riad, Saudi-Arabien arbeitet seit mehr als einem Jahrzehnt mit MTM. Er besuchte die in Zusammenarbeit mit IBCMT (International Board of Clinical Metal Toxikology) fachorientierten Schulungen. Durch ihn durfte die Autorin dieses Artikels als Referentin die Chelattherapie an der medizinischen Hochschule Riad vorstellen. (siehe Bild-leider kein besseres vorhanden)
⁵ Packer L, Kraemer K, Rimbach G. Molecular aspects of lipoic acid in the prevention of diabetes complications. Nutrition. 2001 Oct;17(10):888-95. doi: 10.1016/s0899-9007(01)00658-x. PMID: 11684397.
⁶ Gröber, U. Morbus Alzheimer – Stellenwert von Mikronährstoffen in der Therapie. OM – Z Orthomol Med 2006;4:5 –11.
⁷ Hager K, et al. Alpha-lipoic acid as a new treatment option for Alzheimer‘s disease – a 48 months follow-up analysis. J Neural Transm Suppl 2007;72:189 –193.
Saudi-Arabien, wie alle Länder der Welt, reguliert die Anwendung der unterschiedlichsten Pharmazeutika u.a. auch die der verfügbaren Chelatsubstanzen. Die Liponsäure ist eine Natursubstanz und dort weder verschreibungspflichtige noch sonst wie reguliert, d.h. sie ist als Nahrungsergänzungsmittel erhältlich.
Prof. AlMomen setzt die antioxidative und metallbindende Wirkung α-Liponsäure seit Jahren ein, auch bei Autisten. Nebenwirkungen hat er bislang nicht verzeichnet. Er nutzt die α-Liponsäure als Monotherapie und erarbeitete ein Protokoll, das er gezielt einsetzt. Dabei wird vor der ersten Behandlung der Urin vor der α-Liponsäure-Gabe entnommen, damit dieser mit den Sammelurin-Messwerten nach α-Liponsäure-Gabe verglichen werden kann.
Der Einsatz als Monotherapie generierte Daten, die statistisch gut und leicht bewertbar sind. Dies ist für die Autorin von Bedeutung, denn allgemein werden in Deutschland seit Jahren die potenziellen Chelatsubstanzen kombiniert, in der Erwartung, dass sich die Metallbindung und Ausscheidung potentieller Toxine erhöht. Der Nutzen mehrerer potentieller Chelatsubstanzen hat auch zur Folge, dass die Wirkung der einzelnen Substanz statistisch nicht ausreichend nachgewiesen werden kann. Allerdings konnte inzwischen nachgewiesen werden, dass das Kombinieren gewisser Chelatsubstanzen auch zu Einträchtigungen bei Chelatbindung gewisser Metalle führt.
So würde beispielsweise die kombinierte Verabreichung einer DMPS Infusion mit der weit schwächeren Substanz DMSA oder der α-Liponsäure deren spezifische Metallbindung blockieren oder reduzieren. Die stärkere Substanz überschattet die schwächere. Zudem ist die Verabreichung mehrerer Substanzen arbeitsaufwendiger und skostenreicher als eine Monotherapie.
Wir konnten 537 Urinuntersuchungen nach α-Liponsäure-Gabe statistisch auswerten. Alle Probanden wurden nach dem gleichen Prinzip in der Universitätsklinik AlMomen chelatiert. Für den Nachweis der erfolgten Metallentgiftung wurden Urin-Messwerte vor und nach der jeweiligen Behandlung verglichen.
Die folgende Tabelle zeigt eine Gegenüberstellung der α-Liponsäure-Messdaten mit Basal-Urinwerten. Zusätzlich wurden positive Messdaten mit DMSA-Urinwerten verglichen. Letztere stammten aus vorwiegend deutschen Kliniken.
Insgesamt wurden über 50 Metalle untersucht und statistisch ausgewertet. Bei Arsen, Barium, Nickel, Mangan und Quecksilber konnte die α-Liponsäure eine deutliche Bindung erzielen. Blei wurde von DMSA gut gebunden, von der α-Liponsäure jedoch nicht.
Die folgende Tabelle beinhaltet ausschließlich Messwerte von Metallen, die auf eine Bindung mit der Liponsäure schließen ließen. Bei den nicht erwähnten Metallen konnte keinerlei Bindung nachgewiesen werden.
Tabelle 1: Gegenüberstellung der Messwerte
Element | BG | Normal Basal | a-Liposäure N537 | DMSA oral, 500mg N423 | ||||
mittel** | StA | 95%ile** | mittel** | StA | 95%ile** | |||
As | 0,35 | <15 | 26,67 | 108,43 | 74,7 | 11,87 | 28,45 | 90,04 |
Ba | 0,1 | <5,7 | 10,49 | 168,21 | 10,11 | 2,5 | 8,03 | 16,14 |
Hg | 0,4 | <1 | 2,41 | 3 | 7,97 | 4,16 | 8,71 | 24,23 |
Mn | 0,75 | <4,5 | 5 | 4,01 | 12,09 | 4,24 | 4,13 | 11,55 |
Ni | 0,5 | <3 | 6,32 | 4,19 | 14,48 | 6,14 | 5,81 | 17,84 |
Pb | 0,3 | <5 | 1,65 | 4,68 | 5,01 | 7,95 | 10,47 | 27,75 |
Werte in μg/g Krea
N=Anzahl
**Messwerte >Normwert
BG= Bestimmungsgrenze
Arsen und Barium: Deutlich ist, dass beide Chelatoren eine deutliche Bindung bewirken, wenngleich die Standardabweichung der α-Liponsäure-Messwerte deutlich erhöht ist. Nachdem die Standardabweichung verdeutlicht, wie weit die einzelnen Zahlen verteilt sind, deutet dies auf eine unerwartet hohe Streuung von Messwerten. Die DMSA-Messwerte sind stabiler.
Quecksilber: Beide Substanzen zeigen eine stabile Bindung. Quecksilber lagert sich gern im Gehirn ab und ist besonders toxisch für Nervenstrukturen. Das heißt, es ist besonders toxisch für die Zellen des Gehirns. Wenngleich die DMSA-Urinmesswerte eine stärkere Wirkung zeigen, muss beachtet werden, dass die lipophile α-Liponsäure fähig ist die Bluthirnschranke zu passieren und somit in der Behandlung neurologischer Erkrankungen von größerer Bedeutung ist. DMSA ist hydrophyl und kann die BHS nicht durchdringen.
Mangan und Nickel: Beide Substanzen zeigen eine gleichwertige Bindefähigkeit.
Blei: Die Liponsäure zeigte keine Bindung, dagegen bindet DMSA Blei deutlich. Erwähnt werden darf, dass DMSA von der FDA (Food and Drug Administration) spezifisch für die Bleientgiftung von Kindern zugelassen wurde.
α-Liponsäure Protokoll AlMomen
bis zu 40kg Körpergewicht (KW): 600 mg
40-70 kg KW: 1200 mg for 40-70 kg
>70kg KW: 1800
Einnahme der oralen Gabe: abends vor dem Schlafengehen.
Dabei wird am Tag vor der ersten Behandlung der Morgenurins entnommen. Der Patient kann dies zu Hause selbst tun.
Als Provokationsurin gilt der Morgenurin des Folgetages nach Liponsäure-Gabe.
In beiden Fällen werden 5-7ml für die Laboruntersuchung benötigt.
Biewenga, GP. et al. (1997): The Pharmacology of the Antioxidant Lipoic Acid. In: Gen Pharmacol. 29(3); 315–331; PMID 9378235
Biewenga, GP. et al. (1997): The role of lipoic acid in the treatment of diabetic polyneuropathy. In: Drug Metab Rev. 29(4), 1025–1054; PMID 9421684
Berkson Burt (1998): The Alpha Lipoic Acid Breakthrough. Three Rivers Press New York; ISBN 0-7615-1457-0
Roney J: The role of thiols, dithiols, nutritional factors and interacting ligands in the toxicology of mercury. In: Toxicology. 234, Nr. 3, 2007, S. 145-156. doi:10.1016/j.tox.2007.02.016. PMID 17408840.
Packer L, Tritschler HJ, Wessel K: Neuroprotection by the metabolic antioxidant alpha-lipoic acid. In: Free radical biology & medicine. 22, Nr. 1-2, 1997, S. 359-378. PMID 8958163.
Zur Autorin:
1973 bis heute, Gründerin und Direktorin der analytisch-medizinischen Umweltlabore Micro Trace Minerals in Hersbruck, Deutschland, sowie Trace Minerals International in Boulder, Colorado. Fachgebiet Metall-Toxikologie (1985). Von 2001-2005 wissenschaftliche Mitarbeiterin des King James Medical Laboratory in Cleveland, Ohio, USA. Von 2001-2014 wissenschaftliche Beraterin des International Board of Clinical Metal Toxicology (IBCMT), dessen Award for Outstanding Service sie 2005 erhielt.
Blaurock-Busch ist Autorin mehrerer Bücher und vieler Artikel in deutscher und englischer Sprache. Ihre Schriften wurden u.a. in spanisch, französisch und portugiesisch veröffentlicht. E.Blaurock-Busch referierte an Universitäten weltweit. Ihre Forschungsarbeiten wurden in Kooperation mit der Universität Montana, USA, sowie den Universitäten Kairo, Nigeria u.a. Instituten durchgeführt und in internationalen Fachzeitschriften publiziert.
Sie verfasste Textbücher der Chelattherapie. Ihr LEHRBUCH NÄHRSTOFFTHERAPIE, GRUNDLAGEN UND ANWENDUNG DER ORTHOMOLEKULARMEDIZIN wurde 2022 vom ML Verlag publiziert.