Thallium-Einsatz und Wirkung bei Mensch und Tier

Thallium-Einsatz und Wirkung bei Mensch und Tier

Allgemeines

Das Element Thallium (Tl) wurde im Jahre 1861 von dem englischen Physiker und Chemiker Sir William Crookes (1832-1919) in London entdeckt. Bereits 1962 konnte der Franzose Claude Auguste Lamy einen kleinen Barren des reinen Metalls herstellen und vorzeigen. Thallium ähnelt Blei in seinen Eigenschaften, kommt jedoch in der Natur in reiner Form nicht vor. Wichtige Vorkommen an thalliumhaltigen Erzen liegen in Wyoming/USA, in Schweden und in Russland.

Toxizität
Thallium und seine Verbindungen sind hochgiftig. Wenige Milligramm einer Thallium Verbindung führen zu schweren Vergiftungen, die bei Mensch wie auch Tier Übelkeit, Brechreiz, Bauchkrämpfen, Durchfall, Nierenschäden und Haarausfall auslösen können. Die langfristige Einnahme geringer Konzentrationen verursacht chronische Vergiftungen. Das sehr giftige und umweltgefährliche Thallium(I)-sulfat (Tl2SO4) wurde früher als Rattengift eingesetzt.

Anwendung in der Human- wie auch Tiermedizin

Im Jahr 1954 wurde ein thalliumhaltiger Arzneistoff entwickelt, der unter dem Namen Thalidomid (α-Phthalimidoglutarimid) als Schlaf- und Beruhigungsmittel unter dem Markennamen Contergan von dem Hersteller Grünenthal, Aachen rezeptfrei verkauft wurde. Chemisch gesehen gehört Thalidomid zur Gruppe der Piperidindione, einer strukturellen Abwandlung der Barbiturate.

Thalidomid soll beruhigend und schlaffördernd wirken. Außerdem hat es entzündungshemmende, antineoplastische sowie antiangiogenetische Eigenschaften. Ende der 1950er Jahre wurde Contergan auch wegen der Wirkung von Thalidomid gegen Übelkeit beworben. Contergan wurde auch Schwangeren empfohlen und von diesen genutzt, was zu schweren fötalen Schädigungen führte. Durch die Einnahme von Contergan in der Frühschwangerschaft kam es zu einer Häufung von schweren Fehlbildungen (Dysmelien, Amelie) bei den Kindern dieser Frauen. Die verursachten Missbildungen lösten den Contergan-Skandal aus. In Deutschland wurde dieser aufsehenerregende Arzneimittelskandal in den Jahren 1961 und 1962 aufgedeckt. Das Medikament wurde daraufhin vom Markt genommen.

Später zeigte sich, dass Thalidomid hemmend auf Entzündungen sowie Tumorwachstum und Blutgefäßneubildungen wirkt. Seit 1998 wird es daher in den USA zur Behandlung besonders schwerer Lepraformen eingesetzt. Seit 2008 ist Thalidomid in Deutschland unter sehr strengen Sicherheitsauflagen zur Behandlung von Knochenmarkkrebs zugelassen und seit 2009 zur Behandlung des multiplen Myeloms.

Forschern der Firma Grünenthal zufolge konnten im Tierversuch selbst bei hohen Dosen keine tödliche Wirkung bei Ratten, Mäusen, Meerschweinchen, Kaninchen, Katzen und Hunden nachgewiesen werden. Es wurden auch keine anderen unerwünschten Wirkungen beobachtet. Somit wurde Thalidomid als „untoxisch“ eingestuft. In der Tiermedizin kann somit Thalidomid zur chemotherapeutischen Behandlung bösartiger Tumoren bei Tieren indiziert sein, die nicht zur Gewinnung von Lebensmitteln dienen. Aufgrund der anti-angiogenen Wirkung wurde der Einsatz zum Beispiel beim Hämangiosarkom des Hundes untersucht. Bislang fehlt in Deutschland eine Rechtsgrundlage zur Anwendung von Thalidomid bei Tieren.

Wirkungsweise
Thallium wird über die Haut, über den Respirationstrakt und besonders über den Verdauungstrakt gut resorbiert, da das einwertige Thallium-Ion dem Kalium-Ion sehr ähnlich ist und dessen Transportmechanismen benutzen kann. Thallium reichert sich vor allem in der Leber, in den Tubulusepithelien der Nieren, im Knochen und in der Schleimhaut, Haut und Hautanhangsgebilden an.

Thallium unterliegt einem enterohepatischen Kreislauf. Hierbei gelangt resorbiertes Thallium über Leber und Galle zurück in den Darm. Dort kommt es zur teilweisen Rückresorption durch die Darmschleimhaut und dadurch zu einer erneuten Vergiftung. Die Ausscheidung erfolgt über die Nieren und den Darm. Die Eliminationshalbwertszeit beträgt 5,5 bis 7,3 Stunden.

Toxizität:
Auf Grund seines Kalium-ähnlichen Verhaltens hat Thallium eine starke Affinität zur Na-K-ATPase. Dadurch wirkt es stark kardo- und neurotoxisch. Thallium schädigt Zellen und Zellorganellen und von den Geweben insbesondere Haut, Nieren, Leber, Herzmuskel, Zentralnervensystem und Haarfollikel. Die auftretenden Stoffwechselstörungen beruhen auf Interaktionen des Elements mit essentiellen Spurenelementen, die als Enzymaktivatoren und Cofaktoren katalytische Funktionen haben. Thallium hemmt diese Enzyme und greift somit in Stoffwechselgeschehen ein.

Akute Vergiftung
Die Aufnahme von Rattengift, Taubengift oder anderen thalliumhaltigen Schädlingsbekämpfungsmitteln kann akute Vergiftungen auslösen.. Zunächst kommt es zu unspezifischen Symptomen wie Übelkeit oder Erbrechen, abdominalen Krämpfen, neuralgiformen Schmerzen, Tachykardie und Fieber. Später treten Haarausfall bis hin zur Alopezie und psychische Veränderungen auf. In den Haarwurzeln können ab dem 4.Tag nach Gifteinnahme makroskopisch und mikroskopisch Einlagerungen von Melaninpigment beobachtet werden. Nach einem oder mehreren Tagen mit andauernden Symptom-Intervallen treten die Zeichen der chronischen Intoxikation auf.

Chronische Vergiftung
Diese äußert sich in starkem Haarausfall. Leitsymptom ist die Hypersensibilität an den Beinen. Nageldystrophien treten auf, sowie Hautveränderungen, kardiovaskuläre Störungen, Nierenschäden, Polyneuritis, Muskellähmungen und Tachykardie bis hin zum kardiogenen Schock.

Leichtere Intoxikationen mit subletalen Dosen beginnen schleichend mit erster Symptomatik wie Obstipation, Oberbauch- und Rückenschmerzen nach 1-2 Wochen. Ein diffuser Haarausfall führt meist zur Diagnose.

Pathophysiologie und Nachweis:
Thallium wird rasch und nahezu vollständig über den gastrointestinalen Trakt, die Mundschleimhaut und die Haut resorbiert. Bereits nach 2 h ist die maximale Blutkonzentration erreicht und das Element ist im Urin nachweisbar.

Die Speicherung erfolgt intrazellulär, bevorzugt in den Mitochondrien. Hauptspeicherorte sind Niere, Kolon, Muskel, Myokard, Leber, endokrine Drüsen und das Zentralnervensystem sowie Haare und Nägel.

Ausgeschieden wird Thallium renal und intestinal, Geringe Mengen werden über Schweiß und Tränen eliminiert. Die biologische Halbwertzeit beträgt beim Menschen etwa 30 Tage. Bei Tieren 14 Tage der länger.

Thallium ist ein kumulatives Zellgift, das systemische Intoxikationen bewirken kann. Akute Vergiftungen sind heute selten. Der Nachweis erfolgt bei akuten und chronischen Vergiftungen/Expositionen durch Analysen in Blut, Urin, Faeces, Haaren und Nägeln, Krallen oder Hufen. Die Einnahme von wasserlöslichen Thalliumsalzen resultiert in einer schnellen Eliminierung, so dass im Blut häufig normale Werte gemessen werden trotz einer nur wenigen Tage zurückliegenden Vergiftung. Thallium kann auch in der Milch laktierender Tiere nachgewiesen werden.

Therapeutische Maßnahmen
Diese richten sich nach der Art der Vergiftung. Zur Elimination des Metalls dienen, meist kombiniert, Magenspülungen, forcierte Diurese, intravenöse Gaben von Kaliumchlorid, Hämodialyse und orale Gaben von Berliner Blausalz (Antidotum Thallii-Heyl®,) zur Unterbrechung des enterohepatischen Kreislaufs.

Literatur:

• Agency for Toxic Substances and Disease Registry (ATSDR). 1992.

Toxicological Profile for Thallium

. Atlanta, GA: U.S. Department of Health and Human Services, Public Health Service

• Rükgauer M. Thallium in Thomas L. Labor und Diagnose. TH-Books 2005: 518-519
• Schlemmer G, Welz B. Grundlagen atomspektrometrischer Analytik. Lab Med 1986: 10:160-5
• Manzo L, Sabbioni E. Thallium. In: Seiler HG, Sigel H, Sigel A. eds. Toxicity of inorganic compounds. NY. Marcel Dekker 1988:677-88

Teilweiser Auszug aus
Blaurock-Busch E.: Chronische Metallbelastungen - Toxikologie, Diagnose und Therapie

Chronische Metallbelastungen - MicroTrace Minerals

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