In der Zahnmedizin werden Kunststoffe in der Prophylaxe (Fissurenversiegelung), in der Füllungstherapie (oft auch als Amalgam-Ersatz), in der Kieferorthopädie (zum Befestigen von Multibandapparaturen oder auch für herausnehmbare Spangen), in der Prothetik (zum Ersatz von fehlenden Zähnen und zur Verblendung von Zahnkronen) und in der Implantologie (als Titanersatz) verwendet.
Je nach therapeutischer Indikation kommen dabei überwiegend Acrylate zum Einsatz, in seltenen Ausnahmefällen einige Sonderkunststoffe wie Nylon (z.B. Valplast) oder die Polyetheretherketone (PEEK).
Chemisch gesehen sind Acrylate Polymerisationsprodukte, die aus der chemischen Reaktion von schweren Basismonomeren (Bis-GMA oder auch UDMA) mit leichten Co-Monomeren (wie TEGDMA oder HEMA) zum Endprodukt Kunststoff werden. Als Nebenprodukt dieser Polymerisationsreaktion entsteht obligat Formaldehyd, ein toxikologisch zu beachtender Stoff, der über 4 Monate aus Kunststofffüllungen entweicht.Ideal wäre es, wenn sich die schweren Basismonomere mit den leichten Co-Monomeren zu 100% verbinden würden. Die Realität ist allerdings, dass je nach individuellen Reaktionsbedingungen in der Regel nur 33% bis maximal 66% sich zu Kunststoff umsetzen lassen. Das bedeutet, dass ein bis zwei Drittel der Ausgangsstoffe noch unpolymerisiert im Kunststoff verweilen, von dort ausdünsten und somit für den Organismus im Sinn einer chronisch unterschwelligen Dauerbelastung verfügbar sind.
Des Weiteren sind zur Hebung der physikalischen Eigenschaften (Fließverhalten, Lagerfähigkeit, Polymerisationsreaktion etc.), vielfach eine Reihe von Zusätzen (Accelleratoren, Stabilisatoren, Inhibitoren etc.) enthalten, die bei der Polymerisationsreaktion ebenfalls sowohl mit den schweren Basismonomeren, wie auch mit den leichten Co-Monomeren reagieren und somit bei jeder Kunststoffpolymerisation zusätzlich einen Mix verschiedenster Polymerisations-Nebenprodukte entstehen lassen.
Toxikologisch von weiterer Bedeutung ist auch, dass zur Verbindung einer Kunststofffüllung mit dem Zahn zusätzlich ein sog. „Bonder“, das ist ein Kleber, der vorwiegend aus niedermolekularen Kunststoffen besteht, verwendet werden muss.
Sämtliche Bestandteile dieser Kunststoffe und auch die einzelnen Polymerisations-Nebenprodukte werden in der Mundhöhle freigesetzt, was letztendlich zur Folge hat, dass in einer auspolymerisierten Kunststofffüllung sich bis zu 60 verschiedene Reaktionsprodukte isolieren lassen, wobei jedes für sich eine allergische und eine toxische Potenz haben kann.
Es gibt nicht „die Kunststoff-Unverträglichkeit“, sondern verschiedene Arten von Unverträglichkeiten (s.a. nachfolgendes Bild), die wir ursächlich, entsprechend Ihrer biologischen Wirkungen, in chronisch-entzündliche (orange markiert) und chronisch-toxische (blau markiert) Wirkungen unterscheiden und medizinisch gut auseinanderhalten sollten:
Bei Werkstoff-Allergien handelt es sich dabei überwiegend um eine Allergie Typ IV (Spätreaktionen), bei Kunststoffen können in seltenen Fällen auch Allergien Typ I (Sofortreaktion) ausgelöst werden.
Auch ohne allergischen Hintergrund können dentale Werkstoffe reine Entzündungsreaktionen im Sinn einer biologischen Abwehr auslösen. Durch den Faktor „Zeit“ sind diese Entzündungsreaktionen ein Dauerstress für das Immunsystem, welcher die Selbstheilungskräfte schwächt.
In der Regel handelt es sich bei Werkstoffen um chronische Intoxikationen, das heißt: lang andauernde, unterschwellige (Dauer-)Intoxikationen meist weit jenseits von eventuellen Grenzwerten. Durch den Faktor „Zeit“ können jedoch auch hierbei im Laufe von Jahren toxikologische Reaktionen ausgelöst werden.
Toxikologisch müssen stets mögliche Wechselwirkungen zwischen Kunststoffen und anderen Schadstoffen mit möglichen Potenzierungseffekten bedacht werden.
Auch Metalle, devitale Zähne, degenerative Osteolysen (Hohlräume im Kieferknochen) oder Parodontose können vielfach Potenzierungsfaktoren sein.
Kunststoffe, vor allem niedermolekulerer Art und auch Reaktionszwischenprodukte können sich an aktive Zentren von Enzymen andocken und sie somit inaktivieren. Auch Co-Enzyme können gebunden und damit blockiert werden, was zu langfristigen Stoffwechselstörungen und somit Symptomen verschiedenster Art führen kann.
Blockieren Kunststoffe oder Kunststoffverbindungen die Wasserstoffbrückenbindung, die vitale Proteine eine bestimmte, individuelle räumliche Struktur geben, so ändert sich die räumliche Struktur eines Proteins. Ist diese Änderung von größerer Natur, dann erkennt der Organismus irgendwann sein eigenes Protein nicht mehr und greift es als körperfremd an.
Zur Erkennung einer Kunststoff-Unverträglichkeit stehen uns verschiedenen diagnostische Möglichkeiten zur Verfügung, nämlich:
Speicheltest, Urintest, Allergietests, Tests für Entzündungsmarker und Tests zur individuellen Entgiftungsfunktion. Insbesondere letzterer Test kann bei chronisch Kranken zu einer Ursachenfindung führen, denn es gibt umweltmedizinisch sogenannte gute und auch schlechte Entgifter, was bedeutet, dass bei Letzteren sich Schadstoffe durch eine ungenügende Ausscheidung schneller anhäufen und gesundheitlich relevant im Organismus verbleiben können.
Wenn die Schulmedizin von einer Unverträglichkeit spricht, meint sie üblicherweise vereinfachend eine Allergie auf einen bestimmten Werkstoff. Diese Vereinfachung ist nur eine Komponente und berücksichtigt die Komplexität der Problematik nur zum Teil.
Beim Verdacht einer Kunststoffunverträglichkeit sind aber prinzipiell 2 Problemfelder akribisch voneinander zu unterscheiden, nämlich die allergische Komponente und die toxische Komponente (s.a. Titelbild). Für den allergischen Part stehen uns labormedizinische Tests zur Verfügung, für den Nachweis einer chronisch-toxischen Belastung leider nicht.
Das bedeutet: Ist ein LTT oder BDT negativ, kann daraus nur ein Ausschluß einer Allergie diagnostiziert werden. Der Rückschluß auf eine allgemeine Verträglichkeit ist mit diesen Tests nicht zulässig!
Zahnmedizin ist Reparaturmedizin. Nachdem es prinzipiell keinen biologischen Werkstoff gibt, ist es die Aufgabe des umwelt-zahnmedizinisch geschulten Therapeuten, für den Gesundheitsbewußten oder auch insbesondere für den den chronisch Kranken das individuell „geringere Übel“ zu finden. In dieser Hinsicht wären
die bessere Alternative.
Eine intensivere Darstellung dieser Problematik aus der Zahnmedizin erfahren Sie im Rahmen der Vortragsveranstaltung unserer LIFE 2018 – Tagung am 10.November 2018 in Bad Mergentheim.
Dr. Johanna Graf
AK Zahnmedizin